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Nürnberg

Digitalisierung ist eines der Schlagworte in der Branche. Aber dafür braucht es mehr, als nur analoge Prozesse in digitale zu übertragen. Ein Kommentar von Susanne Klaußner.

Proptechs haben in den vergangenen Jahren die digitale Entwicklung vorangetrieben und vom digitalen Schließsystem bis zu Vermietungs-, Planungs- und Baumonitoring-Apps hilfreiche und anwenderfreundliche
Plattformen für diverse Problemstellungen entwickelt, nicht zuletzt auch für die Berechnung der CO2-Emissionen im Rahmen der Offenlegungsverordnung der ESG-Regulatorik.

Sie sind die Treiber der digitalen Entwicklungen in der Branche, lösen zwar nur Einzelproblemstellungen, dies aber sehr effizient und anwenderfreundlich. Inzwischen muss man schon am Ball bleiben, will man den
Überblick nicht verlieren. Man hat dennoch den Eindruck, dass die Branche mehrheitlich derartigen Lösungen noch mit Skepsis begegnet und sie nicht konsequent einsetzt, um Prozesse zu erleichtern, sie schneller und ressourcenschonend abzuwickeln.

Digital denken bedeutet anders denken

Sieht man sich die Software- und Prozesslandschaften in den Unternehmen an, dann werden Prozesse nach wie vor analog gedacht und gestaltet, auch wenn sie digital in einem Prozessmodellierungstool abgebildet
werden. Die gängigen Software-Branchenlösungen für das Asset- und Property-Management bauen ebenfalls auf den klassischen Prozessketten auf. Analoge Prozesse granular zum Beispiel in ein 
Dokumentenmanagementsystem als Basis für Workflows festzulegen, bedeutet, dass diese analogen Prozesse in einer digitalen Plattform gelebt werden. Bringt uns dies Vorteile? Sparen wir Prozessschritte?

Wir arbeiten nicht effizienter, sparen keine Zeit und beschäftigen genauso viele Mitarbeiter wie vorher.
Bisweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dadurch komplizierter wird. Macht das Sinn? Digital denken bedeutet anders denken. Was kann und muss „die Maschine“ tun, um Prozessschritte
eigenständig auszuführen, ehe der Mensch ins Spiel kommt? Einheitlich wiederkehrende Prozessschritte, die stupides Handeln erfordern, sollten den Mitarbeiter nicht mehr von seiner qualitativen Arbeit abhalten. Dafür sind wir doch eigentlich zu schade und zu teuer. Die Erfassung von Objektangeboten im System mit Hilfe KIgesteuerter Softwarelösungen würde uns viel Arbeit abnehmen, die Zeit kostet und monoton ausgeführt werden muss. Wohl dem, der einen Werkstudenten für diese Tätigkeit findet.

Digitalisierung soll entlasten

Eine durch künstliche Intelligenz gestützte Scansoftware ordnet die relevanten Daten zu und spielt sie in die Property-Management-Software oder das CRM-System ein. Dann wäre bestenfalls ein kurzer Check
erforderlich, und für diese mühselige Arbeit müsste man keinen Kollegen strapazieren. Die Immobilienwirtschaft bietet so viele spannende Aufgaben, die den Menschen erfordern, insbesondere im B2BBereich
und vor Ort an der Immobilie.
Digitalisierung soll uns entlasten und Aufgaben übernehmen, die uns wertvolle Zeit kosten, aber auch Daten überall zugänglich machen, vor Ort an der Immobilie oder im Meeting. Digitalisierung soll uns unterstützen, mit gleicher Manpower größere Bestände zu verwalten. In einer Zeit, in der es schwieriger wird, qualifizierte Mitarbeiter für unsere Unternehmen zu begeistern, sollten wir sie nicht mit stupiden Tätigkeiten beschäftigen. Spannende Aufgaben gäbe es genug, aber wir verbringen zu viel Zeit mit Administration, weil Reportings an Anleger gesandt werden müssen, die Geschäftsleitung Auswertungen benötigt und die Kollegen schnell eine Auskunft brauchen. Alles Tätigkeiten, welche die Software erledigen kann. Viel zu oft müssen Daten erst in Excel transferiert und dann nachbearbeitet und in Grafiken gebracht werden. 

Ansatz für neue Branchensoftware-Lösungen

Wenn wir Führungskräfte heute fragen, was sie am dringendsten benötigen, dann ist das meist mehr Personal, aber kaum stringentere und einfachere Prozesse und bessere Softwarelösungen zur Entlastung der
Mitarbeiter. Das Gegenteil ist der Fall. Prozesse werden immer komplexer, immer mehr Handelnde werden involviert und immer mehr Freigabenstufen eingebaut. Woran liegt das?

Immobilienunternehmen investieren viel in ihre Softwarelandschaften, um ihre Prozesse zu steuern und die Daten revisionssicher und für alle zugänglich aufzubewahren und zu verarbeiten, und dies auf Basis der
bereits implementierten analogen Prozesse. Die analogen Prozessketten werden nicht hinterfragt. Es bedarf einer Effizienzanalyse, denn eine Kontrollinstanz mehr führt nicht zu besserer Qualität.

An dieser Stelle müssen wir uns unsere Branchenlösungen ansehen, die allesamt manuelle Dateneingaben erfordern, anstatt die Daten KI-gestützt aus den Verträgen oder Exposés auszulesen und Reportings
anwenderfreundlich über Dashboards zu generieren. Um dazu zu kommen, müssen stets mehrere Softwarelösungen miteinander verknüpft und aufwendig gepflegt werden. Wäre das nicht ein guter Ansatz für
neue Branchensoftware-Lösungen?

Proptechs können große Hilfe sein

Sofern alle Daten vernünftig ausgelesen werden, muss es systemisch möglich sein, Mietdauerrechnungen automatisiert im System zu generieren oder Nebenkostenabrechnungen samt den mitgeltenden Belegen
erstellen zu lassen, ohne dass Property-Manager ständig manuell eingreifen müssen. Grundvoraussetzung ist die Bereitschaft der Unternehmen, Jobs neu zu denken, und das Interesse, die Immobilie nicht nur von der Datenlage her, sondern auch physisch zu kennen.

Andere Branchen machen es uns vor. Der Lebensmitteleinzelhandel hat in den letzten Jahren vollautomatisierte 24/7-Läden entwickelt und inzwischen die ersten Märkte umgesetzt. Das ginge nicht ohne effiziente Software im Hintergrund, die den Bestell-, Bereitstellungs- und Ausgabevorgang kundenfreundlich und damit einfach und für jeden Kunden gut bedienbar steuert. Gleiches gilt für die Warendisposition.
Digital denken ist anders denken, es bedeutet, die Perspektive zu wechseln und offen dafür zu sein, im Unternehmen alte Zöpfe abzuschneiden. Die Proptechs können hier eine große Hilfe sein.

 

Susanne Klaußner MRICS